Das Paradox: Mehr Zeit im Netz führt zu weniger Aufmerksamkeit im Netz

In den Achtzigerjahren gab es nicht mal eine Handvoll Fernsehkanäle. Wenn nichts Interessantes lief, dann blieb nur der Gang zur Videothek, damit die Flimmerkiste weiter läuft. Neben dem Telefon lag die Gebührenliste und lange Ferngespräche kamen für den Zeitvertreib nur selten infrage. Langweile war ein Phänomen des Alltags, es sei den, man war ein Bücherwurm. Aufmerksamkeit war reichlich verfügbar, weil Ablenkung weniger vorhanden war.  

„Ein Reichtum an Informationen schafft eine Armut an Aufmerksamkeit“ Herbert Simon

Im digitalen Zeitalter ist Aufmerksamkeit ein knappes Gut, weil so viele Angebote um Beachtung buhlen. Aufmerksamkeit bedeutet, dass sich jemand Zeit nimmt etwas zu lesen, zu hören oder zu nutzen. Nur mit Aufmerksamkeit kann man Geld verdienen. Werbung muss gesehen und am besten geklickt werden. Je häufiger ich eine App nutze, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass ich auch dafür zahlen werde.  Im Kampf um Aufmerksamkeit scheinen alle Mittel recht. Jede noch so belanglose Information wird direkt als Extra-Nachricht auf das Smartphone geschickt. 

Der kleine rote Kreis erinnert mich an die vielen ungelesenen Nachrichten. So erzeugen alle Apps gemeinsam ein Trommelfeuer an Nachrichten, deren Bearbeitung immer mehr Arbeitszeit verschlingt. Im Jahr 2021 lag die durchschnittliche Bildschirmzeit – beispielsweise am Smartphone, Computer-Monitor oder Fernseher bei mindestens 8 Stunden am Tag. Der gesenkte Kopf ist das Markenzeichen des 21. Jahrhunderts. 

Es ist ein riesiges Überangebot an potenzieller Ablenkung entstanden. Wir können endlos Filme konsumieren, Musik hören, Spiele zocken oder Texte lesen. Zudem organisieren wir immer mehr unseres Alltagslebens online, wenn wir mal von deutschen Verwaltungsdienstleistungen absehen, die ohne Besuch in der Amtsstube nicht auskommen. Dabei scheinen wir froh für jede Ablenkung, und für die Flucht vor der Langweile unterjochen wir uns dem Diktat von Nachrichten und automatisiert